Zarische Truppen, Krasnaja Poljana, 21.5.1864

Zarische Truppen, Krasnaja Poljana, 21.5.1864

Mittwoch, 29. Januar 2014

Artikelschwund bei Indymedia: Petitionsaufruf erscheint nicht.

Heute mittag hatte ich auf indymedia Deutschland einen kleinen Artikel zu unserer Petition "Tscherkessen in öffentliche Debatte einbeziehen" veröffentlichen wollen, samt einer Liste unserer bisherigen prominenteren Unterstützer. Die Seite gab mir um 15:15 Istanbuler Ortszeit die Rückmeldung, daß mein Artikel eingesandt sei und in Kürze erscheine:






Leider erschein der Artikel aber nicht "in einigen Minuten auf der Seite", und auch im restlichen Verlauf des Tages nicht. Heute abend bzw. nacht sind etliche der Uhrzeit gemäß nach meinem eigenen Beitrag eingegangene Artikel dagegen online gegangen, wie sich im Open Posting, in dem alle veröffentlichten Beiträge aufgelistet werden, zeigt:





Leider ist es nicht neu, daß die Verlinkung meines blogs auf Hindernisse stößt, zuletzt war unsere Petition von den facebook-Seiten "Titel-Thesen-Temperamente" und "Das Erste" unter fadenscheinigen Begründungen gelöscht worden.Mittlerweile bin ich auf diesen Seiten sogar gesperrt, offenbar, weil ich zu argumentieren versucht und mir dabei sogar erlaubt hatte, auf einen inhaltlichen Fehler des TTT-Beitrags (falscher Buchtitel von Manfred Quiring) hinzuweisen (ein extra-post hierzu samt screenshots folgt noch).
Woran es diesmal liegen mag, daß mein Beitrag nicht erschienen ist, wer weiß? Die einzig plausible (demokratische!) Erklärung, die ich mir notfalls vorstellen könnte, ist, daß jemand entweder meinen blog oder die Petition selbst als "bad link" gemeldet haben könnte und anschließend nicht entsprechend überprüft wurde.  Da ich keinen "sexistischen, rassistischen, antisemitischen u./o. faschistischen Inhalt" geboten und auch nicht  "vorbereitete Stellungnahmen hierarchischer, etablierter oder kommerzieller Gruppierungen" abgeliefert habe, sehe ich kein Nichterfüllen der Moderationskriterien von indymedia vorliegen. Indymedia schreibt selbst von sich, daß entfernte Beiträge in einem speziellen "Müllarchiv" abgelegt würden, daß der Transparenz wegen auf Anfrage zugeschickt werde.
 Eine derartige Anfrage habe ich noch heute abend per email an die angegebene Adresse (imc-de-requestätsquat.net) geschickt:

"Sehr geehrtes indymedia-Moderatorenteam,


Ich habe heute (28.1.2013)  Mittag gegen 14:14 deutsche Ortszeit einen Artikel zu einer tscherkessisch-deutschen Petition auf change.org abgeschickt (im Anhang ein screenshot, der den Eingang belegt). Der Artikel ist leider nicht auf indymedia erschienen, ich würde mir deswegen gerne den versteckten Artikel zusenden lassen und hätte nach Möglichkeit gerne auch eine Begründung für das Nichtfreischalten - insofern dies nicht noch verzögert erfolgen sollte.
Informationen zur Petition, mir und meiner politischen Arbeit finden Sie auch unter http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com.tr/. Uns wäre es wichtig, daß Sie uns baldmöglichst Rückmeldung geben, da unsere Petition am 31.1.2014 ausläuft und ich mich darauf verlassen hatte, daß der Text, wie ich es von Indymedia gewohnt bin, zügig freigeschaltet wird.
Mit freundlichen Grüßen,
                              
                      Irma Kreiten"
Sollte ich eine Antwort von Indymedia samt meines nichtveröffentlichten Artikels erhalten, werde ich dies selbstverständlich im Wortlaut hier einstellen. Der Text, den ich auf indymedia hatte veröffentlichen wollen, war bis auf ein paar wenige unwesentliche, in der Eingabe-Maske selbst vorgenommene Veränderungen und einen kleinen, nun fürs Erste verloren gegangenen Vorspann von zwei oder drei Sätzen der folgende:
"Petition: Tscherkessen müssen auf die Agenda!

In rund 10 Tagen beginnt die Winterolympiade 2014 in Sotschi. Auch wenn es in deutschen Medien in den letzten Wochen nun vereinzelt Berichte über die Tscherkessen und ihre Geschichte gegeben hat, so sind tscherkessische Stimmen und Proteste in unserer Öffentlichkeit nach wie vor nicht nur unterrepräsentiert, sondern kaum präsent, fehlt beim deutschen Publikum die Kenntnis über entscheidende historische Zusammenhänge, werden diese in der Berichterstattung zu Sotschi 2014 teils immer noch bewußt verschwiegen.

Das Verhalten der Kolonialmacht Rußland im Westkaukasus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, von den damaligen Akteuren bereits als „Säuberung“ bezeichnet und aus einer Politik des Aushungerns, der buchstäblich verbrannten Erde, aus gezielten Massakern und Deportationen bestehend, ist mittels historischer Quellen umfänglich belegbar. Der Völkermord an den Tscherkessen ist seit Jahrzehnten immer wieder Gegenstand vereinzelter wissenschaftlicher Arbeiten und Veröffentlichungen gewesen, auf u.a. Russisch, Englisch, Arabisch und Türkisch. Trotzdem ist der Völkermord an den Tscherkessen nach wie vor einer internationalen Öffentlichkeit kaum bekannt, wurde er nie politisch und medial aufgearbeitet, wurde bereits vorhandene wissenschaftliche Literatur nicht entsprechend rezipiert, großflächig veröffentlicht und verbreitet (wie z.b. die unveröffentlicht gebliebene Harvard-Dissertation von Mark Pinson von 1970) und weitergehende Forschung institutionell vernachlässigt und behindert.

Die Olympiade 2014 dürfte vor diesem Hintergrund eine absolute Sonderstellung einnehmen. Selbst angesichts einer ganzen Reihe von Vorgängerspektakeln, bei denen ebenfalls die Rechte von First Nations zu kurz kamen und es im Vorfeld entsprechend kontroverse Debatten gegeben hatte, nimmt sie sich als trauriger Einzelfall aus, denn gerade diese kontroversen Debatten sind in Bezug auf Sotschi 2014 und dessen tscherkessische Aspekte - sowohl in Rußland selbst als auch bei uns in Westeuropa - weitestgehend nicht geführt worden.

Hinweise auf die fehlende historische Aufarbeitung insgesamt und auch die fehlende politische Sensibilität im Umgang mit den Olympischen Spiele werden von offizieller politischer Seite gerne ignoriert und mit Schweigen übergangen. Dort, wo eine Diskussion zumindest in Ansätzen stattfindet, d.h. meist am Rande der medialen Debatten zu Sotschi 2014, also in Kommentarspalten von Zeitungen, Leserbriefen und in sozialen Medien, wird auf Hinweise auf den unaufgearbeiteten Völkermord an den Tscherkessen gerne gekontert mit Standardausflüchten à la dies alles sei doch schon viel zu lange her, aller Boden sei mit Blut getränkt, Knochen und Gebeine historischer Verbrechen fänden sich schließlich überall, es sei praktisch allen Ländern während der Kolonialzeit zu Verbrechen gekommen, ob dann mit diesen Maßstäben überhaupt noch irgendwo Olympische Spiele stattfinden dürften? ...

Alle diese Argumente ignorieren – ob nun bewußt oder unbewußt – die fatale imperiale Symbolik von Krasnaja Poljana selbst: Krasnaja Poljana bei Sotschi ist der Ort, an dem am 21. Mai 1864 russische Truppen den kolonialen Sieg über den Nordkaukasus wie auch ihren Erfolg bei der „Säuberung“ des Westkaukasus von den Tscherkessen mit Gottesdienst und Parade feierten. Ohne historische Aufarbeitung, ohne historisches Gedenken und ohne entsprechende Einbeziehung der heutigen Tscherkessen kommt das Ausrichten der Winterspiele an gerade diesem symbolträchtigen Ort im 150. Jahr dieser tragischen Ereignisse einer Reinszenierung des russischen imperialen Triumphes gleich.

Wir sind der Meinung: dieses konzertierte Verschweigen und Vergessen muß sich ändern, zumindest bei uns! Im Falle eines unaufgearbeiteten Völkermordes heilt Zeit keine Wunden, Versöhnung findet nicht dadurch statt, daß man verschweigt und vertuscht, demokratisch-rechtsstaatliche Minderheitenpolitik wird nicht gemacht, indem man koloniale Traditionen verlängert, und mögliche zukünftige Kriege und Genozide werden auch nicht dadurch verhindert, daß man aus geopolitischen Erwägungen und Rücksichtnahmen heraus Forschung und Diskussion zu kontroversen Themen beschneidet und unterbindet. Völkermord ist kein angenehmes Thema, es gehört zu den dunklen Seiten unserer Geschichte und Kultur. Wer es aus Scham, Angst, Opportunismus oder vor dem Hintergrund eigener Schuldkomplexe verschweigt, tut jedoch hiermit der Menschheit und einem friedlichen Zusammenleben der Völker keinen Gefallen.

Anders als bei anderen aktuellen Themen, die von Presse und Fernsehen bereitwillig aufgegriffen, diskutiert und in der Öffentlichkeit verbreitet werden, ist unsere Petition zum Thema „Tscherkessen in öffentliche Debatte einbeziehen“ leider von den deutschen Medien bislang vollständig ignoriert worden. Niemand hat berichtet, selbst einer Verlinkung über die ARD-Seiten zu der Sendung Das Verbrechen von Sotschi - Putins Spiele und die Vertreibung der Tscherkessen” wurde nicht stattgegeben, und das sogar, obwohl einer der dort interviewten Repräsentanten der tscherkessischen Diaspora Miturheber der Petition ist. Nichtsdestotrotz sind unserem Aufruf einige bekannte Historiker, Künstler, Intellektuelle, Journalisten und ander Figuren des öffentlichen Lebens gefolgt. Einer offiziellen Nennung als Untertützer der Petition haben bisher folgende prominente Unterzeichner zugestimmt:

Dr. Almir Abregov Historiker/ Früherer Direktor des Nationalmuseums Adygien in Maikop
Can Aydin – Theater- und Filmschauspieler, Berlin

Ilse Bender – Parteivorstand/ Die Linke, Kerpen

Prof. Donald Bloxham – Historiker/ Universität Edinburgh, Edinburgh

Celil Hacioglu – Designer, New York

Hava Karadaş, Rechtsanwältin, tscherkessische Sängerin, Istanbul

Dr. Hakan KırımlıHistoriker/ Bilkent Universität, Ankara

Dr. Garabet MoumdjianArmenischer Historiker, Pasadena

Dr. Ramazan Hakki Oztan – Historiker, Universität Utah, Salt Lake City

Didem ŞahinFilmemacherin/Produzentin, Istanbul

Fuat Uğur – Journalist und Schriftsteller, Istanbul

Angesichts dessen, daß unsere Petition bereits zum 31.1.2014 ausläuft und bisher vorrangig von der tscherkessischen Diaspora selbst zur Kenntnis genommen wurde, sie die deutsche Mehrheitsbevölkerung dagegen nur in Ansätzen erreicht hat, möchte ich hier über indymedia als unabhängigem Organ darum bitten, der Petition noch beim Endspurt behilflich zu sein und sie bis zum 31.1.2014 nach Kräften über soziale Medien zu unterstützen, zu teilen und zu verbreiten.

Mich stimmt diese Erfahrung vor allem insofern traurig, als ich gerade von Indymedia keine Probleme dieser Art erwartet hätte und diese zuvor auch nie hatte. Wie natürlich auch, weil wir damit wiederum eine Chance verpaßt haben, auf unsere Petition aufmerksam zu machen. Wer nicht weiß, daß es sie gibt, kann sie auch nicht unterschreiben und teilen... So führt die Abwesenheit von Aufmerksamkeit für die Belange der Tscherkessen und tscherkessische Themen zu noch mehr Mangel an Aufmerksamkeit, der Kreis schließt sich.


Nachtrag 29.1.2014: Da ich es bei derartigen Vorkommnissen immer gut finde, eine Vergleichsgröße zu haben, habe ich mir noch einmal die jüngeren Beiträge bei indymedia angesehen und bin dabei auch auf einen Text zur Petition von Inge Hannemann gestoßen, der direkt zur Petitionsseite des Bundestags verlinkt: http://de.indymedia.org/2013/12/350902.shtml . Hier zumindest dürfte deutlich eine Nähe zu Parteien und politischen Organisationen gegeben sein, wie sie bei unserer Petition nicht vorhanden ist, ich sehe also auch hier keinen möglichen Ausschlußgrund vorliegen.





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